ZitatAlles anzeigen
Ist das nun die neue Oberklasse von VW? Das haben sich laut Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer die Verantwortlichen gefragt, als der neue Passat fertig war. Die Antwort Neußers: Nein, ist er nicht, aber etwas mehr als bisher stellt er schon dar. Nun, Oberklasse wäre ja sowieso Unsinn gewesen, denn da bietet VW schon den Phaeton an. Die Lücke klafft eine Etage tiefer, in der oberen Mittelklasse – ein Äquivalent zu BMW 5er, Mercedes E-Klasse oder Audi A6 fehlt den Wolfsburgern. Hier soll nun angeblich der Mitte November 2014 startende neue Passat einspringen, eine Brücke bauen für Leute, die "mehr Premium" wollen. Ist das nun eher eine bloße Marketingphrase oder kann das Auto wirklich beide Segmente abdecken? Wir haben den Wagen gefahren und es herausgefunden. Da in Deutschland der Variant etwa 70 Prozent der Verkäufe ausmacht, haben wir uns den Kombi angesehen.
Außen kürzer, innen größer
Mit 4,77 Meter Länge kann der neue Passat Variant nicht mit den Kombiversionen von A6, 5er und E-Klasse mithalten, die sind etwa 15 Zentimeter länger. Auch der Radstand ist beim VW erheblich kürzer. Aber durch den neuen Querbaukasten konnten die VW-Ingenieure die Räder in die Ecken schieben – so ist der Passat "nicht mehr so ein Nasenbär", wie Neußer es ausdrückt. Das Auto wurde damit außen kürzer und innen größer. Das Platzangebot im Fond wuchs und ist im neuen Passat wahrhaft fürstlich. Das gilt auch für die Kopffreiheit, obwohl der Wagen nun drei Zentimeter niedriger ist als bisher. Auch beim Kofferraum hat der Variant gegenüber dem Vorgänger spürbar zugelegt: Statt 603 bis 1.731 sind es nun 650 bis 1.780 Liter.
Endlich mehr Kofferraum in der Mittelklasse
In puncto Stauvolumen steckt unser VW den Audi und den BMW nun locker in die Tasche, die E-Klasse ist weiterhin ungeschlagen. Der Volumenzuwachs verdient aber wirklich Lob. Denn dass größere Kombis wie der Audi A4 Avant weniger Stauraumbieten als der (auslaufende) Skoda Fabia Combi, haben wir noch nie verstanden. Um einen so fürstlichen Fond und so viel Gepäckraum bieten zu können, wurde das Heck des Passat Variant noch eckiger als bisher schon. Uns stört das nicht, denn die übrige Optik passt dazu – auch vorne dominieren der rechte Winkel und die Gerade.
Doppelt geteilte Rücksitzbank
Die Rücksitzbank lässt sich nun wie beim neuen Mercedes C-Klasse T-Modell doppelt geteilt umklappen, nicht nur einfach geteilt. Vorteil: So kann man zum Beispiel mit Partner und zwei Kindern zu Ikea fahren und auf der Rückfahrt auch noch das lange Regal mitnehmen. Wenn noch längere Dinge mitsollen, empfiehlt sich die Bestellung des umklappbaren Beifahrersitzes. Ein weiteres schönes Gimmick ist eine Art Rollbrett, auf das man schweres Tranportgut wie Getränkekisten stellen kann, um sie einfach in den Kofferaum hinein- und wieder herauszubewegen. Das Umklappen der Sitze kann auch per Fernentriegelung vom Heck aus bewerkstelligt werden. Bevor man den gesamten Stauraum nutzen kann, müssen allerdings noch zwei Querstreben entnommen werden: An einer hängt das Gepäckraum-Trennnetz, an der anderen die Kofferraumabdeckung. Vielleicht gäbe es da ja auch eine praktischere Lösung. Das wäre doch mal eine lohnende Aufgabe für einen Ingenieur, oder?
Innenraum-Schick im Check
Im Cockpit fällt die Gestaltung des Armaturenbretts auf: Hier wollten die Designer die Breite betonen, deshalb haben sie die Luftausströmer in ein durchgehendes Band integriert. Diese Gestaltung gefällt, doch Peugeot ist den Wolfsburgern inzwischen in puncto Innenraum-Schick mindestens ebenbürtig. Die silbrig glänzende Querleiste im gelifteten 508 ist zum Beispiel noch deutlich raffinierter als das Band aus gebürstetem Alu im Passat.
Beeindruckendes Fahrerdisplay
Wirklich beeindruckend im Passat ist aber das riesige Display, das in unseren Testfahrzeugen die traditionellen Instrumente ersetzt. Das "Active Info Display" ist ein Rechteck mit einer Diagonale von 12,3 Zoll, bei dem die Ecken – nein, nicht abgesägt, sondern abgedeckt werden. In der Mitte zwischen Tacho- und Drehzahlmesser-Anzeige lässt sich zum Beispiel die Navigationskarte wiedergeben. So kann zum Beispiel der Beifahrer den Radiosender am Display in der Mittelkonsole einstellen, ohne dass der Fahrer die Karte aus dem Blick verliert. Für das schöne Display muss man allerdings mindestens 500 Euro ausgeben.
Am Anfang nur drei Motoren
Die Motorenauswahl im Passat ist zum Marktstart sehr übersichtlich: Neben einem 150-PS-TSI mit Zylinderabschaltung stehen ein 150-PS-Diesel und ein neuer Biturbo-Diesel mit 240 PS zur Verfügung. Weitere Aggregate folgen aber bald. Vier Diesel mit 120, 150, 190 und 240 PS sowie fünf Benziner mit 125, 150, 179, 220 und 280 PS sind geplant, dazu kommt Mitte 2015 noch der Plug-in-Hybrid mit 218 PS Systemleistung. Wir haben die anfangs verfügbaren Aggregate bewegt. Am besten hat uns dabei der 150-PS-Diesel gefallen, auf den laut VW auch die meisten Verkäufe entfallen werden. Er bietet bei annehmbarem Preis mehr als ausreichenden Vortrieb, zumindest im Geschwindigkeitsbereich bis 100 km/h, und schneller konnten wir bei unserem Test auf Sardinien nicht fahren.
Wenig Fahrspaß trotz 240 PS
Trotz 240 PS bringt der Biturbo-Diesel keinen Vorteil beim Fahrspaß. Überhaupt muss man sagen: Wirkliche Fahrfreude stellt sich mit dem Passat nicht ein – aber Mittelklassekombis sind dafür eben einfach die falsche Wahl. Sie werden vor allem für Geschäftsreisende gemacht, und die sollen hauptsächlich schnell von Kunde A zu Kunde B kommen. Mit dem 150-PS-TDI gelingt das: 340 Newtonmeter Drehmoment, 8,9 Sekunden für den Normsprint und 218 km/h Maximaltempo sind mehr als ordentliche Werte. Der Normverbrauch liegt bei nur 4,0 Liter, mit dem optionalen DSG sind es 0,4 Liter mehr. Der Bordcomputer unserer Schaltversion meldete mit 7,6 Liter allerdings eine deutlich höhere Zahl.
Alle 9.000 Kilometer nachfüllen?
Der Biturbo, der stets mit Allradantrieb ausgeliefert wird, hat noch bessere Fahrleistungen, ist aber auch durstiger und fast 9.000 Euro teurer. Gegenüber dem 150-PS-Diesel hat der Biturbo aber noch einen weiteren Nachteil: Für die Verringerung der NOx-Emissionen besitzt er statt eines Speicherkats ein SCR-System. Dazu benötigt er das Additiv AdBlue, das in einem 13-Liter-Tank mitgeführt wird. Der muss laut VW "nur alle 9.000 Kilometer nachgefüllt werden". Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn auch wenn der Wert stark von der Fahrweise abhängt, werden einige Fahrer jeden Monat nachfüllen müssen. Seltener nachfüllen müsste man mit einem größeren Tank, aber ein voller 50-Liter-Additivtank wiegt eben über 50 Kilo, und das würde alle Gewichtseinsparungen schnell wieder zunichte machen. Vor diesem Problem stehen derzeit alle Hersteller größerer Autos – was die Sache aber nicht besser macht.
Gutes Fahrwerk, nutzloses DCC
Das Fahrwerk unserer Testwagen war mit der optionalen Dämpfereinstellung DCC ausgerüstet. Die Unterschiede zwischen den Modi "Sport" und "Comfort" liegen jedoch im homöopathischen Bereich. Allenfalls bei langen Wellen kann man sie erahnen. Dafür würden wir kein Geld ausgeben. Ansonsten ist der Passat gut abgestimmt. Er liegt eher auf der straffen Seite, wirkt aber zumindest auf den guten Straßen Sardiniens nicht unkomfortabel. Die Lenkung und die Sechsgang-Schaltung befriedigen ebenfalls.
Nicht so teuer, wie der Stammtisch glaubt
Auf Stammtischniveau wird oft behauptet, Volkswagen wäre "inzwischen auch schon ganz schön teuer". Doch in puncto Passat kann man Entwarnung geben. Den Variant mit 150-PS-TDI bekommt man ab 31.325 Euro. Das ist nicht zu viel, wenn man bedenkt, dass der entsprechend motorisierte Peugeot 508 SW erst ab 32.400 Euro zu haben ist, wenn auch in etwas besserer Ausstattung. Mit der VW-Basisversion Trendline kann man bereits glücklich werden. Eventuell fehlende Elemente wie Nebelscheinwerfer, Handy-Anbindung, Tempomat oder Parkpiepser kann man einzeln dazuordern – ein weiterer Vorteil gegenüber Importeursautos, wo man für einzelne Extras meist eine Ausstattung höher einsteigen muss.
Ungewöhnliche Assistenten
Von den Importeuren absetzen kann sich VW auch durch die erstaunliche Zahl der Assistenten. Dazu gehören nicht nur ein Abstandtempomat mit Notbremssystem, ein Spurhalteassistent, ein LED-Scheinwerfer, ein Head-up-Display und dergleichen. Auch Innovatives findet man in der Liste. So vereinfacht der "Trailer Assist" das Rückwärts-Einparken mit Anhänger beträchtlich – so etwas könnte für manchen Kunden sogar kaufentscheidend sein. Auch der Emergency Assist (Fahrzeugstopp im medizinischen Notfall) ist eine Innovation, und ein Staufolgeassistent stellt zumindest in der Mittelklasse noch eine Seltenheit dar.
(sl)
Quelle: http://www.auto-news.de/test/e…neration-im-Test_id_35925